Die neue strategische Dimension der Lebensfähigkeit
Ein Paradigmenwechsel im strategischen Denken
- Der Schließmann-Würfel: Drei Achsen für strategische Ganzheitlichkeit
Der Schließmann-Würfel erweitert die klassische Strategiedimension um eine systemisch begründete dritte Achse. Während die beiden horizontalen Achsen „Relative Marktstärke im SRM“ und „Profitabilität im SRM“ zentrale Aussagen zur Wettbewerbsfähigkeit liefern, erfasst die vertikale Achse die systemische Lebensfähigkeit eines Unternehmens in seinem relevanten Umfeld. - Lebensfähigkeit als offene, dynamisch-kontextuelle Leitkategorie
Das Verständnis von Lebensfähigkeit im Schließmann-Modell ist explizit nicht statisch oder normativ. Lebensfähigkeit ist kein Zustand, sondern eine strategische Anpassungsfähigkeit im Kontext eines relevanten Systems. Sie resultiert aus einem komplexen Beziehungsgefüge von internen und externen Faktoren: Komplexität, Agilität, Robustheit, Interdependenzen sowie kontextuelle Faktoren wie Kultur, Technologie, Regulatorik usw. - Methodik zur Bestimmung von Lebensfähigkeit
Die Analyse erfolgt über ein integratives, mehrstufiges Verfahren:
Lebensfähigkeit ist das neue Zentrum strategischen Denkens-
Lebensfähigkeit ersetzt die klassische Strategieformel. Sie ist nicht nur ein analytisches Konzept, sondern der zentrale Transformationspfad in die Zukunft unternehmerischer Steuerung. Lebensfähigkeit ist die emergente Meisterdisziplin strategischer Unternehmensführung – sie beginnt dort, wo klassische Modelle enden.
1. Grundstruktur: Raum + 3 Achsen
1.1 Der Raum: Strategisch relevanter Markt (SRM)
Der gesamte dreidimensionale Raum des Würfels ist der strategisch relevante Markt (SRM).
Der SRM wird definiert durch:
- originäre Kundenbedürfnisse (OKB),
- Wertschöpfungsstrukturen,
- Systemakteure, Rollen, Machtverhältnisse,
- Technologien, Regulatorik, Ökologie,
- zeitliche Dynamiken, Szenarien, Interdependenzen.
Der SRM ist ein Systemraum, kein statischer „Markt“.
Hier spielt alles — jedes Unternehmen ist ein Punkt und eine Trajektorie im SRM.
Ein SRM umfasst das gesamte Geschehen um die Erfüllung eines bestimmten originären Kundennutzens. Dieser Denkansatz geht weit über anbieterseitig definierte Branchengrenzen hinaus. Er bezieht, ausgehend vom originären Kundenbedürfnis, all die Faktoren in den Analyse- und Betrachtungsraum ein, die im Sinne einer conditio sine qua non nicht weggedacht werden können, ohne dass entscheidende strategische Aspekte in Richtung der künftigen Lebensfähigkeit eines Unternehmens in einem toten Winkel untergingen, indem Disruptionen, Substitutionen oder fundamentale Veränderungen des Spielfeldes durch Digitalisierung oder Klimawandel, Alterung der Menschheit gar nicht im Fokus wären. Wer noch in Branchen, Vertriebs- oder Produktmärkten denkt, hat bereits verloren.

Abbildung: Schließmann-Strategie-Würfel (aufbauend auf Michael Porter) © 2012-2025.
Der Würfel wirkt wie ein Navigationssystem:
Unternehmen „bewegen“ sich im Raum entlang von Zukunftswegen.
1.2 Die Achsen (die eigentlichen Dimensionen der strategischen Standortbestimmung)
X-Achse – Bedeutung des Unternehmens im SRM
Die X-Achse misst die Bedeutung, also die qualitative und quantitative Relevanz des Unternehmens im strategisch relevanten Markt.
Parameterbeispiele:
- Marktanteil (quantitativ)
- Systemrelevanz (qualitativ)
- Rolle im Wertschöpfungssystem (Taktgeber, Integrator, Nische, Innovator)
- Kundenzugang & Kundenbindung
- technologische Einflusskraft
- Netzwerkeffekte, Plattformbedeutung
Y-Achse – Durchschnittliche Rentabilität im SRM
Die Y-Achse misst die durchschnittliche Rentabilität, die in diesem SRM mit dem jeweiligen Geschäftsmodell erzielbar ist.
Parameterbeispiele:
- Durchschnittsprofitabilität des Marktsegments
- Ertragskraft der Wertschöpfungsstufe
- Wettbewerbsintensität
- Regulierungseinfluss auf Margen
- Preis-/Kostenstruktur im SRM
- Kapitalintensität & Skalierbarkeit
Wichtig:
Dies ist nicht die Rentabilität des Unternehmens, sondern die strukturelle Rentabilität des SRM für sein Geschäftsmodell.
Die Rentabilität kann sich nicht mehr an einem Branchen- oder Absatzmarkt orientieren, sondern am relevanten Umfeld im neuen Aufmerksamkeitswettbewerb. Möglicherweise sind hier Angebote der Maßstab, die auf den ersten Blick gar nicht die gleichen Leistungen anbieten, aber alternativ das originäre Kundenbedürfnis auf andere Weise gleich oder sogar besser befriedigen können.
Z-Achse – Lebensfähigkeit (Viabilität)
Die Z-Achse ist die Kerninnovation des Modells.
Sie beschreibt die Lebensfähigkeit des Unternehmens im relevanten System — also die Fähigkeit, langfristig zu überleben, sich anzupassen, Krisen zu absorbieren, Chancen zu nutzen und konsistent Wert zu schaffen.
Die Lebensfähigkeit eines Unternehmens als die entscheidende Ziel-Größe in Theorie und Praxis
Je geringer die Möglichkeit einer klaren Bestimmung von Verhaltens-Szenarien und deren möglichen Auswirkungen ist, desto größer werden die Risiken einer Beziehung oder eines Systems. Damit stehen auch Komplexität und Risiko in engem Zusammenhang.
Parameter sind nie fix, sondern individuell, dynamisch und kontextabhängig.
Typische Viabilitätsparameter (Beispiele):
- Komplexitätskompetenz
Fähigkeit, Interdependenzen zu verstehen, zu steuern und systemisch zu denken. - Robustheit / Resilienz
finanzielle Stabilität, Lieferkettenrobustheit, Cyberresilienz. - Adaptivität / Innovationsfähigkeit
Geschwindigkeit der Anpassung, Fähigkeit zur Transformation. - Legitimität & License to Operate
Compliance, Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Akzeptanz. - Kultur & Führung
Lernfähigkeit, Fehlerkultur, Leadership. - System-Fit
Passung zum SRM, zu Megatrends, zu Stakeholdern.
Die Z-Achse ist keine Skala — sie ist eine systemische Aggregation vieler variabler Parameter.
2. Warum der Schließmann-Würfel ein Paradigmenwechsel ist
2.1 Bruch mit allen zweidimensionalen Modellen
Klassische Modelle (Porter, BCG, McKinsey, SWOT etc.) sind:
- statisch,
- linear,
- reduktionistisch,
- meist zweidimensional.
Sie betrachten:
- Wettbewerbsposition,
- Kosten-/Differenzierungslogik,
- Marktattraktivität.
Sie blenden jedoch systemische, komplexitätsbezogene und dynamische Faktoren aus.
2.2 Die dritte Dimension: Lebensfähigkeit
Diese Achse macht das Modell realitätsfähig in komplexen, vernetzten, instabilen Umfeldern.
Schlüsselgedanke:
Ein Unternehmen kann hoch bedeutend (X) und profitabel (Y) sein –
und trotzdem nicht lebensfähig (Z).
Beispiele:
- Digitale Disruption
- ESG-/Legitimitätsverluste
- geopolitische Brüche
- technologische Sprünge
- kulturelle Dysfunktion
- Lieferkettenrisiken
- Cyberrisiken
Die Z-Achse erfasst genau diese systemische Realität.
2.3 Der Würfel ist vollständig dynamisch
Alle drei Achsen haben keine statischen Parameterkataloge.
- Die X-Parameter (Bedeutung) werden individuell definiert.
- Die Y-Parameter (Rentabilität) hängen vom SRM ab.
- Die Z-Parameter (Viabilität) sind immer kontext- und zukunftsspezifisch.
Daraus folgt:
Der Schließmann-Würfel ist ein offenes, wachstumsfähiges, systemisches Modell — kein Raster.
Er altert nicht, weil er mit jedem neuen SRM und jeder neuen Komplexitätsdimension wächst.
3. Dynamische Systemlogik: Unternehmen bewegen sich im Würfel
3.1 Jeder Zeitpunkt = ein Punkt im Raum
P(t) = (X(t), Y(t), Z(t))
= Bedeutung, Rentabilität, Lebensfähigkeit.
3.2 Zukunft = eine Trajektorie im Raum
Unternehmen zeichnen Bewegungspfade im SRM:
- Aufstieg in Bedeutung (X↑)
- Rentabilitätsdruck (Y↓)
- stärkere Lebensfähigkeit (Z↑)
- Verlust an Lebensfähigkeit trotz Wachstum (X↑, Z↓)
- strategischer Kollaps (Y↓, Z stark↓)
4. Vergleich: 2D vs. Schließmann 3D-Würfel
| Punkt | 2D-Modelle | Schließmann-Würfel |
|---|---|---|
| Dimensionen | 2 | 3 |
| Raum | Markt als Variable | SRM als dreidimensionaler Raum |
| X | Marktanteil, Wettbewerbsstärke | Bedeutung im SRM |
| Y | Profitabilität des Unternehmens | Durchschnittliche Rentabilität im SRM |
| Z | fehlt | Lebensfähigkeit |
| Zeitsicht | statisch | dynamisch |
| Systemumfeld | ausgeblendet | zentral |
| Komplexität | Störfaktor | Viabilitätsfaktor |
| Anpassbarkeit | gering | unbegrenzt (offenes System) |
| Ziel | Positionierung | Überleben + Entwicklung |
5. Viabilität (Z): Methodische Bestimmung
Die Viabilität eines Unternehmens wird trianguliert über:
1. Systemlandkarte
Parameterdefinition nach Schließmann (Chromosomenmodell):
- interne Chromosomen (Kultur, Fähigkeiten, Führung …)
- externe Chromosomen (Marktkräfte, Politik, Technologie …)
- dynamische Chromosomen (Interdependenzen, Zeitverhalten …)
2. Subjektive Rollenanalyse
- Stakeholder-Rollen
- Konsens- & Konfliktfelder
- systemisches Rollenverhalten (Vester)
3. Interdependenzanalyse
- Einflussmatrix
- Stabilitätsanalyse
- Kipppunkte
- OntoSpace®-Dynamiken
- fuzzy-logische Verknüpfungen
4. Viabilitätsformel (situativ)
z.B. V(t)=f(K(t),R(t),A(t),L(t),S(t),…)V(t) = f(K(t), R(t), A(t), L(t), S(t), …)V(t)=f(K(t),R(t),A(t),L(t),S(t),…)
mit:
- K = Komplexitätskompetenz
- R = Resilienz
- A = Adaptivität
- L = Legitimität
- S = System-Fit
Alle Parameter werden je Fall individuell operationalisiert, gewichtet und dynamisiert.
6. Das Besondere am Modell
- Dreidimensional statt zweidimensional
– X + Y + Z = relevante strategische Realität. - Systemisch statt linear
– der SRM als Raum ist die Bühne aller Kräfte, Beziehungen und Dynamiken. - Individuell statt standardisiert
– alle Achsen sind flexibel parametrisiert, fallbezogen. - Dynamisch statt statisch
– Strategie = Bewegung, nicht Position. - Viabilität als Leitkategorie
– ohne Z-Achse sind X und Y reine Vergangenheitsbetrachtung. - Unendlich erweiterbar
– wächst mit Komplexität, Technologie, Politik, Ökologie – ohne je obsolet zu werden.
Fazit
Der Schließmann-Würfel ist kein erweitertes 2D-Modell,
sondern eine komplett neue Strategiearchitektur:
- strategisch
- systemisch
- dynamisch
- individuell
- zukunftsfähig
- methodisch offen
- wissenschaftlich fundiert
- praktisch anwendbar
Er ist das erste Modell, das die komplexe Realität moderner Märkte vollständig abbildet.